Einige Anmerkungen zu meiner Malerei mit dem Titel "Indianischer Mond" (seit 2003)
A: Zur Vorgeschichte
Seit dem Jahre 1983 ( Bilderserie "die indianische Meditation") hat sich meine Malerei ständig pastoser entwickelt. Ab dem Jahre 1987 bevölkerten aufgesetzte Applikationen meine Bilder, parallel dazu entstanden 2 neue Werkserien: "der Weg der Masken" (Wandplastiken) und "Imagico" (Plastiken in Papiermache auf Sockel). Ab 1993 entstand die Serie "der verlorene Spiegel" – räumliche Wandbilder im Durchmesser von 173 cm. In weiterer Folge 2 szenische Aufführungen: 1995 "Stalker", 1997 "Imagico".
Der Farbauftrag meiner Malerei war noch immer pastos und wurde von mir für meine zukünftige malerische Vorstellung als gestalterisch hinderlich betrachtet, da die starke Materialität von pastos aufgetragener Farbe meiner Ansicht nach den künstlerischen Formwillen behindert. 2002 hab ich dann beschlossen, über Papierarbeiten einen neuen malerischen Ansatz zu suchen. Es entstanden bis Anfang 2005 etwa 100 großformatige Papierbilder (87 x 124 cm) und etwa nochmal so viele kleinformatige Arbeiten. Dazu die wesentliche Erkenntnis, dass jeder Farbauftrag Energieeintrag ins Bild bedeutet. D.h.: Die Malfläche ist nicht nur ein ästhetisches, sondern vor allem ein energetisches Bildfeld. Im besten Falle ein Energiefeld, welches übrigens physikalisch messbar ist. Die Vitalenergie lässt sich von Malpunkt zu Malpunkt steigern bis ein energetischer Bildraum entsteht, welcher mit ästhetischen Kriterien alleine nicht mehr fassbar ist. Vorraussetzung ist ein kontrollierter Malakt mit aufbauendem und nicht sich selbst wieder löschenden Energieeintrag.
B: zu den Bildinhalten
Weder reale Vorlagen oder Naturstudien sind Ausgangspunkt meiner Malerei. Auch sind keine "Strukturfelder" eventuellen Naturbezugs angestrebt. Der eher meditative Malprozess bringt offenbar entsprechende Saiten im Unterbewussten in Schwingung, welche sich dann im konkreten Malfeld offenbaren. Aber selbstverständlich spiegeln sich in den Arbeiten meine nachhaltigen Naturstudien und Naturerlebnisse wider, beginnend in den Sommermonaten von 1978 bis 1982, als ich als Viehhirte auf einer Tiroler Alm arbeitete. Dies war auch die Zeit des Beginns meines Malereistudiums bei Hollegha und das Erwachen meines Interesses für indianische Kulturen. Von deren Konzept des Animismus, der Belebtheit alles Seienden, bin ich nachhaltig beeinflusst (seit meiner ersten umfassenden Bilderserie mit dem Titel "indianische Meditation" ab 1983).
"Denn waren wir nicht alle schon mal eine Amöbe,
eine Wüstenblume,
ein brüllender Löwe,
eine flüchtende Gazelle,
ein aus dem Meere auftauchender stummer Fisch?
Und vor allem: Sind wir das alles ein klein wenig nicht auch heute noch?"
In diese Zeit fällt auch meine erste "Liebe" in der Kunstgeschichte, die chinesische Landschaftsmalerei, vor allem Hsü Wei und Pa Ta Shan Jen, parallel dazu mein Interesse für Chinesische Philosophie von Chuang Tsu und Lao Tse, ebenso für Zen-Kunst und Taoismus. Dann das Interesse für die anthroposophische Weltsicht von Rudolf Steiner und die "Berichte" des Carlos Castaneda.
Noch zu erwähnen meine sehr in die Natur eingebetteten Kindheitsjahre. Das selbstvergessene, einsame Streunen durch Wälder, Wiesen, Moore, fast unberührte Natur, gehört zu meinen nachhaltigsten Erfahrungswelten.
1992 dann eine lang nachwirkende Studienreise durch Mexico: Faszinierend die alten Kulturstätten, die Vielfalt und Buntheit der Volkskulturen, (z.B. der Huichol, der Tarahumaras), die fantastischen, kargen Kaktuslandschaften (daraus der Bildtitel: "Mexico – das Licht heimgesuchter Landschaften"), aber auch deprimierend und unfassbar die Armut und Ausbeutung der indigenen Bevölkerung.
In neuerer Zeit bin ich fasziniert von der Malerei der Aborigines, intensiv auch meine Beschäftigung mit Evolutionsbiologie, Form- und Gestaltentwicklung sowie die Beschäftigung mit den physiologischen und gesellschaftlichen Bedingtheiten von Wahrnehmung und vor allem deren Interpretation durch den Wahrnehmenden. (In diese Interpretation fließen ja all die individuellen Wahrnehmungen, von den ersten, vorgeburtlichen Empfindungen, bis zu den sozial- und kulturbedingten Sichtweisen)
C: die neue Malweise
Meine neue Malweise hat keinen Querbezug zum Pointilismus, zum Action Painting von Jackson Pollock oder der Malerei von Sam Francis. Viel eher fasziniert mich die Malweise der Aborigines, die durch den kontrollierten Auftrag von Farbpunkten in der Lage sind, ganz gezielt Bilder der Kraft zu entwickeln. Inspirierend auch die Zeichnungsskizzen Rudolf Steiners im Rahmen seiner Vorträge.
Die Malfläche empfinde ich als vibrierenden, schwingenden, energieabstrahlenden Korpus, (eine überdimensionale Schamanentrommel?), vergleichbar vielleicht mit den Begriffen Sound oder Akkord aus der Musik. Die runden Bilder empfinde ich nicht flächig, sondern als leicht gewölbten Farbraum/Soundkörper.
D: zum Titel "indianischer Mond"
als Metapher für eine scheinbar passive, verschattete Sphäre.
Mond als Metapher der Verbannung von der lebendigen in die tote Sphäre, der Auslöschung des roten Volkes als eine Randnotiz der Geschichte des aufstrebenden abendländischen Materialrationalismus.
Die Prärieindianer beispielsweise kannten ja keine Jahreszeiten in unserem Sinne. Alle Naturveränderungen wurden in "Mondphasen" benannt wie z.B: "Mond des späten Grases", "Mond, in dem die Ponys ihr Fell verlieren", "Mond des ersten Schnees", . . .
Manchen Bildern sind zum Oberbegriff "Indianischer Mond" noch Untertitel hinzugefügt, welche meist lyrisch/poetischen Charakter haben wie: "die Nacht des Schamanen", "die Verzauberung der Blüten", "wie gelber Regen", . . . die auch von meiner Begeisterung für lateinamerikanische Literatur, des magischen Realismus von Borges, Marquez und vor allem von Asturias herrühren.
E: zum runden Format
– Rechtwinkelige Bilder verleiten oftmals zur Betonung von Horizontaler und Vertikaler. Das Rundformat soll das verhindern.
– Das Idealformat für teilweise "Allover-Malerei" und Energiefeldabstrahlung ist das Rundformat.
– Das Rundformat widerspricht dem rationalen "Achsendenken" und vermittelt Eingeschlossensein, Ganzheitlichkeit, also eher Synthese als Analyse.
– Während des Malprozesses bzw. zwischen den einzelnen Malsessionen kann die Achsausrichtung des Bildes beliebig den neu sich ergebenden malerischen Notwendigkeiten anjustiert werden.
– Das zentrale Gestaltungselement ist meist der Tropfen, der Punkt . Somit entspricht der Mikroeintrag der Makrofläche
F: zum Malprozess – konkret
Grundsätzliches: jeder Malvorgang erfolgt auf eine getrocknete Malfläche, waagrecht gemalt, also keine Malerei nass in nass. Aus diesem Umstand kann je Malsession nur wenig Farbe aufgebracht werden, die Bilder "wachsen", verdichten sich sehr langsam. Ich male daher stets an 8 – 15 Bildern gleichzeitig, welche sich natürlich in unterschiedlichen Entwicklungsstadien zeigen. Die Bilder bedingen sich daher immer auch gegenseitig.
Da vom ersten Malauftrag alles energetisch aufbauend konzipiert ist, zeigt ein fertiges Bild idealerweise noch Farbspuren aus dem allerersten Farbauftrag, und der liegt meist mindestens 40 Malsessionen (und viele Monate) zurück. Es wird je Malsession ein "Farbnetz" unterschiedlicher Dichte in Form von Maltropfen, Punkten, Schlieren, Knoten, Linien, . . . "ausgeworfe", das je nach "Dichtegrad" die vorliegende Bildfläche durchdringt und erweitert, danach werden "energetische" Blindstellen malerisch zwischenkorrigiert, ähnlich dem Konzept der Akupunktur. Der Dichtegrad der Maltropfen ist ein wesentliches Kriterium: eine rote Malfläche, von kleinen gelben Punkten besprenkelt, wird als strukturierte, rote Malfläche wahrgenommen, allerdings als Farbcharakter ("aufhellendes Rot in Richtung orange). Dieselbe rote Malfläche mit relativ dichten, gelben, größerflächigen Malpunkten übersät, wird als neue gelbe Farbfläche wahrgenommen – rot hintermalt.
Dazu kommen die Kontraste
hell/dunkel
komplementär
Kontraste bei gleichen Helligkeitswerten (z.b.: hellgrau/ orange), die sind sehr aufregend!!!
Simultankontraste: das sind Kontrastierungen eng aneinanderliegender Farben. Dabei hat das Auge die Tendenz, die Kontraste zu verstärken (Verstärkter Farbunterschied, Helligkeitsunterschied, Sättigung). Dazu kommt auch die Verstärkung in den Flächenunterschieden: größer wirkt auf kleiner, breiter auf schmaler, . . .
Induktion: es werden Farben gesehen, welche objektiv nicht vorhanden sind. Das individuelle Auge interpretiert also das Gesehene . . . D.h.: jeder Betrachter interpretiert auf Grund seiner spezifischen Sehdisposition: Jedes Bild löst also so viele Interpretationen, Sichtweisen, Assoziationen, . . . aus wie es Betrachter gibt.
Nachbilder
Und vor allem alles was dazwischen liegt.
Kontrastflächen mit unterschiedlicher Duktusdichte, Kontraste unterschiedlicher Strukturschichten, sowie Wellen- und Schwingungsmuster (das wird mich in zukünftiger Malerei vermutlich intensiver beschäftigen).
Die einzelne Malsession zeigt sich als ein Auswerfen eines unterschiedlich dichten Netzes von Farbelementen, welches die vorhergehende Bildfläche teilweise durchdringt und im besten Falle energetisch zu steigern imstande ist. Die Intensität der Farbvibrationen soll gesteigert werden bis zum Punkt der scheinbaren Ablösung der Farbfelder von der Malfläche – bis zum Fluktuieren im unmittelbaren Raum vor der Malfläche. Daher wirken die meisten Bilder (vor allem die Großformate) wie vorgewölbte Raumflächen.
G: Energiefelder
Wir leben in einem unüberschaubaren, komplexen Netz unterschiedlichster Energiefelder. Das augenscheinlichste ist wohl die Gravitation. Die hält derzeit noch unser gesamtes Sonnensystem im Gleichgewicht. Jeder Körper hat also Gravitationseinfluss auf benachbarte Körper.
Gemeint sind aber nicht nur physikalisch messbare Felder, sondern auch subjektive Felder als Interaktion von Vitalwesen (die übrigens ebenso messbar sind). Jedes Lebewesen ist ein eigenes, komplexes Energiefeld. Treten zwei Lebewesen in Feldkontakt (ihre Energiefelder überlappen sich teilweise), so tritt ein enorm komplexes Wechselwirkungsfeld auf. Die auratische Energiestrahlung wirkt für das optische Auge zunächst nicht sichtbar, die Wahrnehmung beginnt eher auf der psychologischen Ebene (z.B. Sympathie oder Antipathie).
Unsere Lebenswelt ist aber noch viel komplexer, da auch leblose Dinge energetisch wirken z.B. die unterschiedliche Anordnung von Einrichtungsgegenständen im Raum, markante Felsformationen in einer Landschaft, usw.
Energie ist also ein qualitatives Phänomen und baut sich aus kleinsten Einheiten auf. Durch gezieltes Überlagern, Potenzieren mit kleinstem Energieeintrag kann Hochenergetisches kreiert werden. So kann aus einem blassen Aquarellblau durch ständiges Steigern (Lasieren) ein kräftiges, strahlendes, energiereiches Dunkelblau ermalt werden. Dieses finale Blau ist ein Energetisches, im Unterschied von farblich demselben Blau mit nur einem Farbauftrag.
Meine Arbeiten sind also Energiebilder, welche in den sie umgebenden Raum abstrahlen.
Helmut Fian, Dezember 2009 |
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